Die Karikatur "Deutschlands Zukunft" erschien im August 1870 in der österreichischen Satirezeitschrift "Kikeriki" und warf einen skeptischen Blick auf die Reichsgründung Otto von Bismarcks. Foto: Gemeinfrei.

„Die Deutschen müssen sturmfest und einig zusammenstehen“

Gedanken eines russischen Studenten zur deutschen Geschichte.

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Der folgende Text stammt von dem 25jährigen Moskauer Studenten Roman Schewtschuk der als Bachelorstudent Sprachwissenschaften studiert. Der Text belegte bei der Olympiade der Studenten und Absolventen „Higher League“ von der Wirtschaftshochschule Moskau (Higher School of Economics University) im Fach Germanistik den ersten Platz, wobei die Studenten die Aufgabe bekamen, eine Karikatur zu besprechen. Schewtschuk entschied sich für die im August 1870 in der österreichischen Satirezeitschrift „Kikeriki“ erschienene Karikatur „Deutschlands Zukunft“.

Ich habe die Karikatur Nummer 2 gewählt, die „Deutschlands Zukunft“ heißt. Das ist ein Bild, das ein österreichischer Künstler 1870 zeichnete. Diese Zeit war für die ganze deutschsprachige Welt sehr bedeutend. Kurz zuvor hatte das Heimatland des Zeichners 1866 den Preußisch-Österreichischen Krieg verloren. Dieser Krieg ist auch als „Deutscher Krieg“ bekannt, weil dem Sieger eine führende Rolle im deutschen Einigungsprozess zufiel.

Nach einer Reihe von erfolgreichen Schlachten fiel dem Königreich Preußen ein sicherer Sieg und damit die Initiative im deutschen Einigungsprozess zu. Und dieser Sieg war nicht der erste. Früher, 1864, wurde Dänemark zerschmettert und musste Preußen Schleswig überlassen. Insgesamt waren die 1860er Jahre für Preußen außenpolitisch extrem erfolgreich.

Einigung unter der Pickelhaube

Die Quintessenz dieses politischen Kurses stellte der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 dar. Er startete im Juli 1870 und diese Karikatur stammt ebenfalls ganz genau aus dem Sommer 1870. Nach einem Jahr voll von militärischen Erfolgen schlug Preußen seinen alten europäischen Gegner nieder und annektierte die Grenzregionen Elsaß und Lothringen. Doch war die Gründung des Deutschen Kaiserreichs das wichtigste Ergebnis des Krieges. Sie fand in Versailles im Januar 1871 statt. Die Historiker nennen diesen Staat das Zweite Reich, weil das Heilige Römische Reich (962-1806) das Erste Reich war und die NS-Diktatur 1933-1945 als das Dritte Reich bekannt ist.

75 Jahre DDR

Die auf dem Bild dargestellten Menschen symbolisieren die ganze damalige deutsche Gesellschaft. Hier können wir den Rock der Hausfrau sowie die Lederhose des Bauers und die Hose mit Stiefeletten des großstädtischen Angestellten deutlich sehen – das heißt, die Vertreter aller sozialen Schichten sind auf der Karikatur repräsentiert.

Die sogenannte „Pickelhaube“ ist ein traditioneller preußischer soldatischer feingespitzter Stahlhelm, der nicht nur in der Infanterie, sondern auch in der Reitertruppe genutzt wurde. Sie symbolisiert den preußischen Militarismus und die berühmte deutsche Ordnung und Disziplin. Auf dem Bild wird die Pickelhaube von der Hand Otto von Bismarcks gehalten. Er wurde auch als der „Eiserne Kanzler“ bekannt, weil er tatsächlich der eigentliche Gründer des Zweiten Reichs war.

Die Pickelhaube auf der Karikatur ist mit dem preußischem Adler verziert. Bismarcks Hand hält die Spitze des Helms fest. Die kleinen Figuren von Bürgerinnen und Bürger bilden unter dem Helm ein Knäuel. Wir können keine Gesichter sehen. Die Leute sind unpersönlich. Für die gesellschaftliche Ordnung ist die einzelne Persönlichkeit nicht so wichtig.

Der Zeichner der Karikatur betrachtet die historische Situation ziemlich skeptisch. Er nutzt eine bekannte deutsche Redewendung, um das Bild zu unterschreiben. Anstatt „alles unter einen Hut zu bringen“, sammelt Bismarck die Bevölkerung des Norddeutschen Bunds (1866-1871) unter seine Pickelhaube, die für das Militär steht. Und dieses Vorgehen brachte der preußischen Armee zahlreiche Siege! Selbstverständlich war solche geopolitische Lage für das benachbarten Österreich-Ungarn sehr peinlich.

Bekannt für Kindergärten und Renten

In der Realität entsprach „Deutschlands Zukunft“ den Erwartungen des Zeichners nicht genau. Die Entwicklung des Deutschen Kaiserreichs war nicht so einseitig militärisch ausgerichtet. Außer für seine Armee ist Bismarcks Staat für seine fortschreitenden Sozialreformen und andere allgemeine gesellschaftliche Leistungen bekannt. Dazu zählen Kindergärten und Renten, fortgeschrittene Wissenschaft und Industrie.

Die heutige deutsche Zukunft würde ich mit einem in etwa ähnlichen Bild darstellen. Die kleinen Figuren von deutschen Bürgerinnen und Bürgern halten über sich mit ihren Händen die schweren goldenen Sterne der EU-Fahne fest. Das bedeutet, dass Deutschland derzeit die wichtigste und vielfältigste Rolle in Europa spielt. Gleichzeitig stellt die Gegenwart die Bevölkerung der Bundesrepublik sowie die anderen Europäer vor mehrere Herausforderungen. Alle diese Schwierigkeiten kann die Europäische Union nur überwinden, wenn die Deutschen sturmfest und einig zusammenstehen!

Roman Schewtschuk

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