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In Georgien will auch drei Tage nach der Parlamentswahl keine Ruhe einkehren. Die einen sprechen von einem von westlicher Seite in Gang gesetzten Regime Change, die anderen reden von Wahlfälschung durch die regierende und gemäßigt prorussische Partei Georgischer Traum.
In Georgien will die prowestliche Opposition ihre den offiziellen Zahlen nach deutliche Wahlniederlage vom vergangenen Samstag jedenfalls nicht akzeptieren. Staatspräsidentin Salome Surabischwili, die mittlerweile als Kopf der georgischen Opposition gilt,nannte die Wahl eine „russische Spezialoperation“ gegen die „Freiheit des georgischen Volkes“ und erklärte, das Ergebnis von 54 Prozent zugunsten der Regierungspartei Georgischer Traum sei eine „totale Fälschung“ gewesen. Das wahre Ergebnis sei einem Unentschieden näher, erklärte die Präsidentin, ohne auszuführen, auf welche Erkenntnisse sie diese Bewertung stützte.
Teil-Neuauszählung angekündigt
Gestern nun demonstrierten Zehntausende von Demonstranten vor dem georgischen Parlament in Tiflis, wobei auch Surabischwili an der Demonstration teilnahm. Der ebenfalls bei der Kundgebung anwesende Oppositionsführer Giorgi Waschadse sagte, die Oppositionsparteien würden das neue „illegitime“ Parlament nicht betreten. Im Namen der Opposition forderte er „neue Parlamentswahlen“. Diese sollten von einer internationalen Wahlbehörde abgehalten werden.
Das alles klingt nach Eskalation. Mittlerweile hat die zentrale Wahlkommission angekündigt, die Stimmzettel in rund 14 Prozent der Wahllokale neu auszählen lassen zu wollen. In jedem Wahlbezirk würden die Ergebnisse von fünf durch Los bestimmten Wahllokalen überprüft, teilte die Behörde in Tiflis mit. Es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahme die Lage beruhigen kann.
Die Berichterstattung vieler deutscher Medien erweckt den Eindruck, als handele es sich bei der Partei „Georgischer Traum“ um eine Ansammlung von Pro-Putin-Hardlinern. Tatsächlich aber handelt es sich um eine moderat russlandfreundliche, sozialdemokratische Partei. Sie strebt den Beitritt Georgiens zur EU an und ging 2012 aus einem breit gefächerten Wahlbündnis hervor, an dem auch Sozialdemokraten und Grüne beteiligt waren.
Einmischungen aus Kiew
Die derzeitige Situation erinnert an den März 2023, als es schon einmal Massenproteste von prowestlichen und prorussischen Demonstranten gegeben hatte. Auslöser der Proteste war ein damals verabschiedetes Gesetz, mit dem Nichtregierungsorganisationen dazu verpflichtet wurden, sich als „ausländische Agenten“ zu deklarieren.
Die damaligen Proteste wurden schnell zu einem internationalen Politikum. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski erklärte seine Unterstützung für die regierungskritischen Demonstrationen
Daraufhin äußerte der damalige georgische Ministerpräsident Irakli Garibaschwili gegenüber dem Sender Imedi TV:
„Wenn ein Mensch, der sich im Krieg befindet, Zeit findet, eine zerstörerische Demonstration von mehreren Tausend Menschen zu kommentieren, ist das ein klarer Beweis dafür, dass er daran interessiert ist, dass hier etwas geschieht und Veränderungen herbeigeführt werden. Es gibt Gerüchte über einen Staatsstreich. Das ist eine direkte Einmischung.“
Saakaschwili: Zurück in Georgien
Leider gebe es immer wieder Versuche, „den ukrainischen Krieg in unser Land zu holen“ und „eine zweite Front zu eröffnen“, so Garibaschwili weiter. Auch die Entsendung des umstrittenen, pro-westlichen Ex-Präsidenten Micheil Saakaschwili, der im Jahr 2021 aus den Niederlanden in sein Heimatland Georgien zurückgekehrt war, sei ein Destabilisierungsversuch gewesen. Saakaschwili sitzt derzeit in Haft, viele seiner Anhänger beteiligten sich aber sowohl im vergangenen Jahr wie auch jetzt wieder an den Demonstrationen gegen die Regierung. Saakaschwili ist eine schillernde Figur, die auch lange Jahre in der ukrainischen Politik eine Rolle gespielt hat. So war er von Mai 2015 bis November 2016 Gouverneur der Oblast Odessa. Selenski bot ihm dann später sogar an, stellvertretender ukrainischer Ministerpräsident zu werden.
Saakaschwilis wichtigster Verbindungsmann ist Wano Merabischwili, 2012 selbst für vier Monate Premierminister und zuvor acht Jahre lang Innenminister im Kabinett von Saakaschwili. Regierungspolitiker des „Georgischen Traum“ beschuldigen Merabischwili, Umsturzphantasien zu hegen und Georgien an der Seite der Ukraine in einen Krieg gegen Russland zu führen.
Der inhaftierte Saakaschwili hat mit Blick auf die jetzt aktuelle Lage auf Facebook geäußert, die Georgier müssten jetzt bei Massenprotesten zeigen, „dass wir für die Freiheit kämpfen und dass wir ein Volk sind, das Ungerechtigkeit nicht duldet“.
Ein Euromaidan in Tiflis?
Sieht die Welt also bald die georgische Variante des Euromaidan in Kiew? Auszuschließen ist derzeit nichts. Es ist jedenfalls nicht damit zu rechnen, dass das Kaukasusland in den nächsten Wochen und Monaten wirklich zur Ruhe kommen wird.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kann derweil keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Parlamentswahl in Georgien erkennen. Die Wahl sei frei und demokratisch verlaufen, sagte er bei einem Treffen mit Regierungschef Irakli Kobachidse in Tiflis. Vorwürfe der Opposition, Kobachidses Partei Georgischer Traum lehne die Integration in die EU ab, bezeichnete Orban als „lächerlich“.
■ Arne Schimmer
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