Jane Goodall im Jahr 2020. Foto: By Nikeush - Own work, CC BY-SA 4.0,

Schimpansen-Forscherin Jane Goodall: Ihre Beziehung zu Konrad Lorenz

Zum Tod von Jane Goodall

In seinen letzten Lebensjahren wollte DDR-Staatschef Walter Ulbricht einen sozialistischen Wissenschaftsstaat schaffen, in dem die Kybernetik als zweite Leitwissenschaft neben den Marxismus-Leninismus getreten wäre. Dies führte zu seiner Entmachtung durch Honecker und Breschnew. Mehr darüber in unserem Sonderheft „Die DDR: Geschichte eines anderen Deutschlands“ lesen. HIER bestellen!

Konrad Lorenz und die vorgestern verstorbene Primatenforscherin Jane Goodall sind sich dreimal persönlich in Österreich begegnet. Lorenz dürfte die Arbeiten von Goodall nachhaltig beeinflusst haben.

Die Bekanntschaft zwischen Lorenz und Goodall ging auf die Bekanntschaft zwischen Lorenz und dem britischstämmigen kenianischen Paläoanthropologen Louis Leakey zurück. Leakey und Lorenz gehörten beide dem Jahrgang 1903 an. Leakey hatte durch sensationelle Funde in der Olduvai-Schlucht in Tansania das Wissen um die Frühgeschichte des Menschen revolutioniert. Er war interessiert an allen Aspekten der Menschwerdung und inspirerte deshalb nicht nur Archäologen und Anthropologen, sondern auch verschiedene Verhaltensforscher, die später sehr berühmt wurden.

Konrad Lorenz, der Begründer der modernen Verhaltensforschung, konzentrierte sich auf das Verhalten von Tieren, insbesondere auf Instinktverhalten und Prägung, wie seine Studien an Graugänsen und Dohlen zeigten. Sein im Oktober 1927 im „Journal für Ornithologie“ unter dem Titel „Beobachtungen an Dohlen“ veröffentlichter Aufsatz gilt als erster Text der vergleichen Verhaltensforschung. Diese neue Disziplin vereinte Ansätze der Zoologie, der Psychologie, der Philosophie, der Biologie und der Genetik zu einem neuen Fach. 1940 wurde Lorenz auf den Lehrstuhl für Psychologie an der Universität Königsberg berufen. 1973 erhielt Lorenz für seine bahnbrechenden Forschungen den Nobelpreis für Medizin.

In seinen letzten Lebensjahren wollte DDR-Staatschef Walter Ulbricht einen sozialistischen Wissenschaftsstaat schaffen, in dem die Kybernetik als zweite Leitwissenschaft neben den Marxismus-Leninismus getreten wäre. Dies führte zu seiner Entmachtung durch Honecker und Breschnew. Mehr darüber in unserem Sonderheft „Die DDR: Geschichte eines anderen Deutschlands“ lesen. HIER bestellen!

Leakey wurde bekannt durch seine Entdeckungen von Skelettteilen fossiler Hominiden in Ostafrika, die das Wissen über die menschlichen Evolution revolutionierten. Leakey hatte jedoch auch ein starkes Interesse an der Verhaltensforschung, insbesondere an Primaten, was ihn mit Lorenz’ Arbeit verband.

Förderung der „Trimates“

Leakey war maßgeblich daran beteiligt, die Primatenforschung durch seine Unterstützung von Jane Goodall, Dian Fossey und Biruté Galdikas – den sogenannten „Trimates“ – zu fördern. Besonders Diane Fossey wurde aufgrund ihres tragischen Schicksals bekannt. Erst besuchte sie Louis Leakey in der Olduvai-Schlucht. Später widmete sie sich ganz der Erforschung der Berggorillas im Kongo und in Ruanda. 1985 wurde sie entweder von Wilderern oder möglicherweise sogar im Auftrag ruandischer Regierungskreise ermordet.

1988 wurde sie im Zuge der Ausstrahlung des Hollywood-Spielfilms „Gorillas im Nebel“ weltbekannt. Hier wurde sie kongenial von der „Alien“-Darstellerin Sigourney Weaver verkörpert, die bis heute Fosseys frühere Gorilla-Schutzprojekte in Afrika unterstützt.

Im Zoo Gelsenkirchen sucht ein Schimpansenbaby bei seiner Großmutter Unterschlupf. Goodall widmete diesen Tieren ihr Leben. Foto: By Marc Schuelper – Own work, CC BY-SA 4.0.

Alle diese Forschungsprojekte an Primaten, insbesondere Goodalls Arbeit ab den 60er Jahren an Schimpansen in Gombe in Tansania, waren von der Ethologie beeinflusst, wie sie Lorenz und dessen wissenschaftlicher Weggefährte, der Niederländer Nikolaas Tinbergen, mit dem Lorenz eng befreundet war, entwickelt hatten. Leakey ermutigte Goodall, das Verhalten der Schimpansen mit einem Ansatz zu studieren, der an Lorenz’ Feldforschung erinnerte: langfristige Beobachtungen in natürlicher Umgebung ohne künstliche Eingriffe. Lorenz und Leakey waren in den 1960er-Jahren in ähnlichen wissenschaftlichen Netzwerken aktiv.

Zutiefst von den Arbeiten Leakey beeinflusst war auch der US-amerikanische Autor und Wissenschaftler Robert Ardrey, dessen Bücher später (ebenso wie die Bücher von Konrad Lorenz) stark von der politischen Rechten rezipiert wurden.

Der Mensch als aggressiver Super-Affe?

Ardrey beschrieb Leakey in seinem Buch „African Genesis“ als eine Schlüsselfigur, die ihn mit den neuesten Erkenntnissen der Paläoanthropologie vertraut machte. In diesem Buch vertrat Ardrey auch die These, dass der Mensch von aggressiven, jagenden Vorfahren abstammt. Eine der zentralen Thesen Ardreys, die in „African Genesis“ entwickelt wurde, war die Vorstellung, dass Aggression und territoriales Verhalten tief in der evolutionären Geschichte des Menschen verwurzelt sind. Diese Idee wurde stark von Leakeys Entdeckungen beeinflusst, insbesondere von den Funden von Werkzeugen und fossilen Überresten, die auf Jagdverhalten und möglicherweise Konflikte unter frühen Hominiden hinwiesen.

Teil dieses Forscher-Netzwerks war auch Jane Goodall. Goodalls Studien über Werkzeuggebrauch und aggressives Verhalten bei Schimpansen lieferten Ardrey zusätzliches Material für seine Thesen. In „The Territorial Imperative“ und späteren Werken wie „The Social Contract“ (1970) zog Ardrey Parallelen zwischen dem Verhalten moderner Primaten und frühen Hominiden, wobei er Goodalls Beobachtungen nutzte. Goodalls Entdeckung, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und gelegentlich andere Primaten jagen, passte perfekt zu Ardreys Argumentation, dass Aggression und Territorialität evolutionäre Merkmale seien.

Begegnungen in Österreich

Laut Angaben des Jane Goodall Institute Austria sind sich Lorenz und Goodall dreimal in Österreich begegnet. Im Oktober vergangenen Jahres besuchte Goodall die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal und wurde dort schnatternd von jenen Graugänsen begrüßt, die aus der Kolonie stammen, die schon von Konrad Lorenz beobachtet wurden. Beide, Konrad Lorenz und Jane Goodall, waren Titanen der Verhaltensforschung. Beide lieferten mit ihren Arbeiten Hinweise für eine realistische Anthropologie, die wirklich zur Erkenntnis unseres eigenen Wesens beiträgt, statt Blutenträume von einem „Neuen Menschen“ zu reproduzieren, wie dies die Linke macht.

Jane Goodall ist am 1. Oktober in Los Angeles verstorben. Als letzte aus der Riege der großen Primatologen ist nun nur noch die Orang-Utan-Forscherin Birutė Galdikas verblieben.

 Arne Schimmer

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