Kais Saied Tunesien

Tunesien: „Robocop“ gegen die Islamisten

Die Zukunft des Landes bleibt auch nach der Präsidentschaftswahl ungewiss.

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Im Dezember 2010 begann in Tunesien der sogenannte Arabische Frühling. Zahlreiche Länder in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten wurden von Aufständen und Massendemonstrationen erschüttert. Westliche Medien und Politiker freuten sich über die angebliche Demokratisierung der Region und übersahen dabei geflissentlich, dass vielerorts radikale Islamisten starken Zulauf zu verzeichnen hatten und es auf dem Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo während der Proteste zu zahlreichen brutalen Vergewaltigungen kam.

Mehr als ein Jahrzehnt nach dem Arabischen Frühling gelten eigentlich alle mit ihm verbundenen Hoffnungen als unerfüllt. Die Umstürze führten oft zu Chaos und zu Kriegen und Bürgerkriegen. Tunesien als Ausgangspunkt des Arabischen Frühlings ist der Absturz ins Chaos erspart geblieben, dafür regiert hier seit 2019 Präsident Kais Saied mit zunehmend harter Hand. Bei den Präsidentschaftswahlen vom 6. Oktober dieses Jahres wurde Saied mit mehr als 89 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, wobei die Wahlbeteiligung allerdings nur bei 29 Prozent lag.

Nordafrikanischer Migrationskritiker

Saied hat in Anlehnung an den 1987 in die Kinos gekommenen Film von Paul Verhoeven wegen seiner sparsamen Mimik und seiner abgehackten Bewegungen den Spitznamen „Robocop“ verpasst bekommen. Er wurde am 22. Februar 1958 auf der tunesischen Halbinsel Kap Bon geboren und erlangte in den Jahren nach dem Arabischen Frühling eine größere Bekanntheit, da der Jurist im Fernsehen immer wieder als Kommentator von verfassungspolitischen Fragen auftrat. Vor allem – und das dürfte das Geheimnis seines Erfolges sein – gilt er als absolut unbestechlich.

Schon sein Sieg vor fünf Jahren bei den Präsidentschaftswahlen am 13. Oktober 2019 hatte die Dimensionen eines politischen Erdbebens angenommen, denn der parteilose Verfassungsrechtler konnte in der zweiten Wahlrunde fast 73 Prozent der Stimmen erreichen. Seinen Gegner, den Mehrheitseigentümer des in Tunesien sehr beliebten Fernsehsenders Nessema TV, Nabil Karoui, fegte Saied damit regelrecht weg. Er profitierte damals von einer ausgeprägten Anti-Establishment-Stimmung, die der Politiker bis heute geschickt zu bedienen weiß.

Immer wieder thematisiert Saied die hohe Zuwanderung insbesondere von schwarzafrikanischen Migranten aus den Subsahara-Staaten. Im vergangenen Jahr prangerte Saied in einer Rede vor dem Nationalen Sicherheitsrat die „Gewaltakte, Verbrechen und unakzeptablen Taten“ an, die von „Horden von illegalen Migranten“ in seinem Land verübt würden. Er kritisierte die westliche Zuwanderungslobby, die viel Geld fließen lasse, um die „demografische Zusammensetzung“ der Gesellschaft zu ändern. Tunesien sei aber ein Land mit einem „arabo-islamischen Charakter“ und solle dies auch bleiben.

Beifall von Eric Zemmour

Diese Rede fand sogar den Beifall des nationalistischen französischen Politikers und Ex-Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour, der twitterte: „Hier ist es Tunesien, das dringende Maßnahmen ergreifen will, um sein Volk zu schützen. Worauf warten wir noch, um gegen den Großen Austausch zu kämpfen?“

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Der Aufstieg Saieds zum immer unumschränkteren Herrscher des nordafrikanischen Landes hat viel mit Enttäuschung über die Entwicklung in den Jahren nach dem Arabischen Frühling zu tun.

Tunesien entwickelte sich eben nicht zu einer prosperierenden Demokratie, sondern noch stärker zu einem Land der Gegensätze, als es das zuvor schon gewesen war. An der Küste boomte der Pauschaltourismus, während das verarmte Landesinnere zu einem bevorzugten Rekrutierungsgebiet der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) wurde. Viele IS-Terroristen, die später in Syrien und dem Irak kämpften, stammten aus Tunesien.

Permanenter Ausnahmezustand

Die liberal-sozialdemokratische Partei Nidaa Tounes (zu deutsch: „Ruf Tunesiens“), die noch in den ersten Jahren nach der im Januar 2011 erfolgten Absetzung des langjährigen Diktators Ben Ali dominiert hatte, stand dem Anwachsen des terroristischen Islamismus weitgehend hilflos gegenüber. Kais Saied hingegen präsentierte sich seinen Wählern als unabhängiger Konservativer, der die Todesstrafe befürwortet und homosexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit bestraft sehen will. Aus der Sicht vieler westlicher Medien macht ihn das zum „Extremisten“, aber für nordafrikanische Verhältnisse vertritt er Positionen, die dort weitgehend dem gesellschaftspolitischen Konsens entsprechen.

Nach Korruptionsvorwürfen gegen einige seiner Minister, die seinen Ruf als Saubermann bedrohten, entließ Saied die Regierung, verhängte im Juli 2021 den Ausnahmezustand und suspendierte das Parlament. Mittlerweile regiert er weitgehend autokratisch und bei den aktuellen Präsidentschaftswahlen vom 6. Oktober durfte eine Vielzahl von potentiellen Bewerbern erst gar nicht antreten. Saied hat seinem Land das Schicksal Syriens oder Libyens erspart und einen Bürgerkrieg mit eiserner Hand verhindert. Auch nach seiner Wiederwahl bleibt das Schicksal Tunesiens allerdings ungewiss, da in vielen Ländern der Region als Reaktion auf das Vorgehen Israels im Gaza-Streifen und im Libanon islamistische Bewegungen wieder stark im Aufwind sind. Ob Saied weiter in der Lage sein wird, diese Kräfte im Zaum zu halten, das muss die Zukunft zeigen.

■ Arne Schimmer

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