VS-Beobachtung

VS-Beobachtung: Vom Makel zum Gütesiegel

Wie wir mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz umgehen sollten

Lange Zeit galt die Beobachtung durch den Geheimdienst für oppositionelle Parteien als schwerer Makel. Zu groß war die Sorge, gebrandmarkt und stigmatisiert zu werden. Erst in den letzten Jahren, insbesondere seit den Asylprotesten 2015/16 sowie den Corona-Protesten 2020-2022, hat diese Stigmatisierung ihren Stachel verloren. Es ist mitunter etwas ganz Normales geworden, als politisch Oppositioneller „unter Beobachtung“ zu stehen. Mehr noch: Wer nicht beobachtet wird, scheint dem System nicht genug auf den Füßen zu stehen. Wie sieht der richtige Umgang mit dem Inlandsgeheimdienst aus? Sollte politisch auf eine Beobachtung reagiert werden? Und wenn ja, wie?

An dieser Frage knabbern oppositionelle Gruppierungen seit Jahrzehnten und experimentieren mit verschiedenen Antworten. Die Republikaner, in den 1980ern die stärkste patriotische Partei in Deutschland – in mehreren Landtagen und auch eine Legislaturperiode im Europaparlament vertreten – , zerbrachen an dieser Diskussion. Teile der Partei versuchten, einer Verfassungsschutzbeobachtung zu entgehen, und warfen ihre Positionen, deren klare Botschaften erst die Wahlerfolge beschert hatten, über Bord. Am Ende versank eine weichgespülte und zerstrittene Partei in der Bedeutungslosigkeit. Erst im Jahr 2008, die Reste der Republikaner waren kaum noch wahrnehmbar, stellte der Verfassungsschutz seine Beobachtung ein und zog auch die letzten V-Männer (Vertrauenspersonen, die im Auftrag des Inlandsgeheimdienstes tätig sind und ihm Informationen verschaffen) aus der Partei ab. Der Versuch, durch Mäßigung einer Beobachtung zu entgehen, hatte den Republikanern niemand gedankt.

Unterwanderungstrick

Andere patriotische oder nationale Akteure, etwa die Deutsche Volksunion (DVU), die zeitweilig in den 1990ern und 2000ern in Landtagen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt vertreten war, oder etwa die NPD (von 2004 bis 2014 im sächsischen Landtag vertreten sowie von 2006 bis 2016 in Mecklenburg-Vorpommern), übten sich in einem offensiveren Umgang mit dem Verfassungsschutz und versuchten gar nicht erst, den Irrweg der Republikaner zu beschreiten, um eine fragwürdige Schonung durch den Geheimdienst zu erhalten. Insbesondere die NPD hatte jedoch darunter zu leiden, dass der Verfassungsschutz eine andere Möglichkeit wählte, die Organisation zu diffamieren: Nachdem es nicht gelungen war, die Partei (wie bei den Republikanern) durch die Verfassungsschutz-Beobachtung in einen Flügelstreit zu drängen, sorgte der Verfassungsschutz (im Zusammenspiel mit dem Bundesverfassungsgericht, das 2003 das NPD-Verbotsverfahren scheitern ließ, weil angeblich zu viele V-Männer des Verfassungsschutzes in Führungspositionen der NPD gewesen seien) für den zweifelhaften Ruf der NPD als „Partei des Verfassungsschutzes“. Obwohl in der NPD nicht mehr oder weniger V-Männer gewesen sein dürften als zuvor bei den Republikanern oder heutzutage in der AfD, verschlechterte sich das Image der NPD durch diese Zuschreibung stark und gilt bis heute als abschreckendes Beispiel für staatliche Unterwanderung von Organisationen. Tatsächlich gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass im letzten Jahrzehnt V-Männer des Verfassungsschutzes im nennenswerten Umfang innerhalb der NPD (die sich im Sommer 2023 in „Die Heimat“ umbenannte) führend tätig gewesen sind, der Ruf lastet ihr aber dennoch an. Ein politisch geschickter Schachzug der NPD-Gegner.

Behörde des Innenministeriums

Aktuell wird die Debatte um den richtigen Umgang mit dem Verfassungsschutz insbesondere innerhalb der AfD geführt, wo sich zwei Lager gegenüberstehen – fast identisch wie einst bei den Republikanern. Auf der einen Seite „gemäßigte“ Kräfte, die versuchen, ihre Positionen so sehr aufzuweichen, dass sie dafür irgendwann ein Schulterklopfen des Verfassungsschutzes erhalten (was es erst dann geben wird, wenn die Organisation bedeutungslos sein wird), auf der anderen Seite standfestere Mitstreiter, die offensiv propagieren, dass es in diesen Zeiten ein Gütesiegel für politischen Widerstand ist, unter Beobachtung des Geheimdienstes zu stehen. Und genau dieser offensive Kurs erweist sich – wahrscheinlich – als richtig, denn die Menschen honorieren nicht nur Standfestigkeit, sondern erkennen zunehmend, dass der Verfassungsschutz politisch missbraucht wird. Dieser Behörde geht es nicht mehr um den Kampf gegen wirkliche Extremisten und Terroristen, sondern um die Verächtlichmachung der politischen Opposition. Das ist auch nicht verwunderlich: Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Innenministerium und damit derzeit der SPD-Innenministerin Nancy Faeser. Und in den Ländern unterstehen die Landesämter für Verfassungsschutz den jeweiligen Landesregierungen. Es liegt daher auf der Hand, dass dieses Werkzeug – gerade in einer Zeit, in der die großen Parteien immer stärker an Zuspruch verlieren – genutzt wird, um zu versuchen, die Opposition zu schwächen.

Epidemie der Verdachtsfälle

Dass die AfD mit einer offensiven Position größeren Erfolg haben dürfte als seinerzeit noch die NPD, liegt vor allem an einem gesellschaftlichen Klimawandel: Früher war die Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch ein größerer Makel, denn „Extremisten“ galten – auch für eigentlich rechts der Mitte stehende Bürger – als „Schmuddelkinder“, zu denen versucht wurde, Abstand zu halten. Nachdem jedoch zahllose Akteure des patriotischen Mosaiks, darunter neben Kaderschmieden wie dem „Institut für Staatspolitik“ oder dem Vorfeld-Verein „EinProzent“, auch die PEGIDA-Bewegung, die zwischenzeitlich wöchentlich zehntausende Menschen auf die Straße brachte, ins Visier des Verfassungsschutzes gerieten, setzte ein Gewöhnungs- und Abnutzungseffekt ein. Dieser wurde noch einmal verstärkt, als im Zuge der Querdenker-Proteste die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ als neues Beobachtungsfeld geschaffen wurde – jetzt standen nicht nur „rechtsextreme“ Staatsgegner (oder die, die dafür gehalten werden) unter Beobachtung, sondern auch „normale“ Bürger, die eine zu kritische Position gegenüber der Obrigkeit vertraten. Und damit explodierte die Zahl der Menschen, die sich potentiell im Visier sahen (ganz unabhängig davon, ob sie es tatsächlich sind) regelrecht. Wer nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird, so die weit verbreitete Ansicht, macht eben etwas verkehrt. Aus dem Makel ist damit ein Gütesiegel geworden. Für die Beobachtung der Partei „Die Basis“ seit Frühjahr 2021 reichte der Verdacht auf „Rechtsoffenheit“.

Für die FREIEN SACHSEN stand bei ihrer Gründung bereits fest, zeitnah durch den Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Mit einiger Überraschung wurde zur Kenntnis genommen, dass es nach der Gründung im Februar 2021 immerhin noch vier Monate dauerte, bis das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz die neue Organisation auch wirklich „offiziell“ unter Beobachtung stellte. Den Akteuren hinter der Bewegung war bewusst, dass jeder, der ernsthaften Widerstand in der Bundesrepublik betreibt, früher oder später ins Visier der Geheimdienste gerät, viele Mitstreiter standen zuvor durch ihre Tätigkeit in anderen Organisationen bereits unter Beobachtung. Selbst die lokalpolitisch aktive Bürgerbewegung PRO CHEMNITZ war seit den Massenprotesten im Jahr 2018, zu denen es nach der Ermordung eines jungen Mannes durch mehrere Asylbewerber auf dem Chemnitzer Stadtfest gekommen war, unter geheimdienstlicher Beobachtung. Es wäre also absurd gewesen, davon auszugehen, dass eine Bewegung, die das herrschende politische System grundlegend in Frage stellt, „unter dem Radar“ bleiben würde.

Fazit

Es bleibt festzuhalten: Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist heutzutage kein Makel mehr, da breite Teile des politischen Widerstandes durch den Geheimdienst beobachtet werden. Wichtig ist, bei jeder sich bietenden Möglichkeit darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsschutz eben keine unabhängige Behörde ist, sondern der verlängerte Arm der Regierung und aus politischer Motivation heraus handelt. Der Begriff „Regierungsschutz“ hat sich für diese Behörde, die weltweit in der Form einmalig ist, durchgesetzt. Wenn der Verfassungsschutz vor bestimmten Organisationen warnt, müssen diese Warnungen ins Lächerliche gezogen werden, um die Akzeptanz des Verfassungsschutzes weiter zu verringern. Menschen, die solche Veröffentlichungen kritiklos glauben, sind leider ohnehin noch nicht weit genug, um den Anschluss an oppositionelle Kreise zu finden – alle anderen fangen aber durch eine offensive Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz an, über die Legitimität der Behörde nachzudenken oder stehen ihr bereits kritisch gegenüber. Für die patriotische Opposition sollte es deshalb auch zur Selbstverständlichkeit gehören, keine Korrekturen innerhalb des Verfassungsschutzes zu fordern, sondern die Auflösung dieser Behörde. Eine nicht legitime Behörde, die fortwährend vor „neuen Radikalisierungstendenzen“ warnt und damit zum Beispiel gänzlich friedliche Bürgerproteste meint, rückt sich in der öffentlichen Wahrnehmung selber schrittweise ins Abseits. Solange nicht der Fehler gemacht wird, in die Defensive zu gehen und dem Verfassungsschutz „Geschenke“ machen zu wollen, statt sich ihm offensiv entgegen zu stellen, muss eine Beobachtung durch den Geheimdienst nicht negativ sein. Im Gegenteil, nicht wenige Mitstreiter achten auch darauf, wer diesem Staat wirklich unbequem wird und wer den Widerstand nur vorzuspielen scheint. Wenn deshalb einzelne Akteure des sächsischen Bürgerprotestes in den letzten Monaten ebenfalls in das Visier des Verfassungsschutzes gerückt sind, kann ihnen nur gesagt werden: Herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht. Bleibt weiter auf Kurs und lasst euch nicht verbiegen!

Michael Brück

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