Die Vorgeschichte des Wave-Gotik-Treffens reicht bis in die Spätzeit der DDR zurück. Ende der 1980er Jahre bildete sich in Leipzig eine lose Szene junger Leute, die sich, in Anlehnung an die damals im Westen bereits etablierte Wave- und Gothic-Subkultur, schwarz kleideten, die Haare toupierten, Musik von Gruppen wie Depeche Mode oder The Cure hörten. Einen ausführlichen Artikel über den Punk- und Gothic-Untergrund der DDR finden Sie in unserem Sonderheft „Die DDR: Geschichte eines anderen Deutschlands“. HIER bestellen!
Neu ist das 80er-Revival beileibe nicht. Wer aber glaubte, es würde zu gegebener Zeit wieder abebben, hat sich getäuscht. Die 80er sind in vollem Schwange. Netflix beispielsweise bringt in diesem Jahr die letzte Staffel der Serie Stranger Things, in der sich alles darum dreht, den Charme und die Mythen der 80er zurückzuholen und wird damit Hunderte von Millionen von Zuschauern vor die Fernsehschirme holen.
Perfekt in diesen Retrotrend passt auch die Old School EBM-Kombo Sturm Café, die 2001 von den Teenagern Gustav Jansson und Jonatan Löfstedt in Gävle gegründet wurde. Anfangs unter dem Namen The Xenophobian Alliance aktiv, änderten sie ihren Bandnamen 2002 in Sturm Café, inspiriert von Gustav Janssons Vater, einem Fan von Bands wie DAF und Front 242 . Ihr Sound kombiniert analoge Synthesizer, Drum Machines und holprig vorgetragene deutsche Texte zu einem einzigartigen Retro-EBM-Stil mit viel Humor und Ironie.
Liebe zur deutschen Sprache und Fans in Mexiko
Nach ersten Erfolgen, darunter ein Auftritt beim Arvika Festival 2004 und ein Plattenvertrag mit Progress Productions, veröffentlichten sie 2005 ihr Debütalbum „So Seelisch, So Schön!“, das Platz 75 in den schwedischen Albumcharts erreichte . 2006 kehrten sie zurück und setzten ihre musikalische Reise fort.

2010 gründeten sie ihr eigenes Label SCR (Sturm Café Releases) und veröffentlichten seitdem dort ihre Musik. Sturm Café wurden zu einer international bekannten Größe und spielten unter anderem auch in Peru und Mexiko. Auch in Lateinamerika eroberte sich die Band mit treibenden Basslines, eingängigen Melodien, ihrer Liebe zur deutschen Sprache und ironischen Texten eine treue Fangemeinde.
Mit ihrem dritten Studioalbum „Fernes Land“ feierten Sturm Café 2001 ihr 20-jähriges Bestehen. Auch bei ihrem diesjährigen WGT-Konzert, das im Haus Leipzig stattfand, überzeugten Sturm Café auf ganzer Linie. Auf eine so authentische Art und Weise gleichzeitig nerdig und liebenswürdig kann jedenfalls nur eine skandinavische Band sein. Wer die beiden Jungs aus Gävle nicht mag, die gestern Klassiker wie „Stiefelfabrik“, „Der Löwe ist zurück“ und natürlich „Europa“ zum besten gaben, der kann eigentlich kein Herz haben.
Mit Blick auf den Text von „Europa“ stellt sich schlussendlich die Frage: Sind Sturm Café eigentlich rechts? Erfreulicherweise spielt diese Frage beim Leipziger Wave-Gotik-Treffen eine deutlich kleinere Rolle als bei anderen Festivals. Das WGT in Leipzig ist also zum Glück ein Ort geblieben, an dem man auf den vielen Bühnen des Festivals echte Vielfalt im besten Sinne erleben kann – also auch Gruppen und Projekte, die sich selbst eher in konservativen Zusammenhängen verorten.
Einen Bericht von den ersten beiden Tagen des Wave-Gotik-Treffens lesen Sie hier: 1 I 2
Kurt Koriath
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