Entdeckt mit dem AUFGEWACHT-Wandkalender „Deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts“ zwölf verborgene Stimmen der Heimat! Unser Wandkalender 2026 präsentiert zwölf eher etwas weniger bekannte nationale Dichter, die aber die Sorge um und den Stolz auf unser Land in gültige Verse gefasst haben. Wir rücken die vergessenen Könner wieder zurück in die Aufmerksamkeit! Jeder Monat begeistert mit einem ausdrucksstarken Gedicht und einem schönen Dichter-Porträt. Zu entdecken sind unter anderem Hermann Löns, Börries von Münchhausen, Georg Trakl, Wilhelm Pleyer, Josef Weinheber oder Michael Fiedler. HIER den AUFGEWACHT-Wandkalender 2026 bestellen!
Die Bedeutung von Tieren im Werk des heute vor 150 Jahren in Prag geborenen Dichters Rainer Maria Rilke (1875–1926), einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter der Moderne, wurde schon von vielen seiner Biografen festgestellt. Gerade erst ist im „Insel Verlag“ das Bändchen „Rilkes Tiere“ – herausgegeben von Angelika Overath und Manfred Koch – herausgekommen. Sicherlich ein hochspannendes Thema, denn Rilke hatte eine intensive, fast mystische Beziehung zur Tierwelt.
Tiere sind bei ihm keine bloßen Metaphern oder dekorativen Elemente, sondern Wesen, die eine tiefere Wahrheit über Existenz, Sein und die Grenzen des Menschlichen verkörpern. Sie stehen oft im Kontrast zur zerrissenen, selbstbezogenen menschlichen Wahrnehmung und verkörpern ein „reines“, unmittelbares In-der-Welt-Sein. Bereits in den frühen Sammlungen (Das Stunden-Buch, Neue Gedichte) tauchen Tiere immer wieder auf: der Flamingo im Jardin des Plantes, der Schwan, die Gazelle, der Einhorn-Mythos. Im berühmten Gedicht „Der Panther“ (1903) wird das Raubtier im Käfig zum Sinnbild einer eingesperrten, aber ungebrochenen Urkraft:
„Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.“
Der Panther sieht nicht mehr wirklich – aber genau dadurch wird er zum Seher. Das menschliche Bewusstsein, das alles in Bilder und Begriffe zerlegt, ist hier ausgeschaltet. Was bleibt, ist ein reines, kreisendes Dasein. Rilke bewundert und bemitleidet das Tier zugleich; es ist gefangen, doch gerade in dieser Gefangenschaft offenbart sich seine Überlegenheit gegenüber dem zerstreuten Menschen.Ähnlich erscheint „Der Schwan“: schwerfällig am Land, doch im Wasser plötzlich verwandelt – ein Bild für die Sehnsucht nach einer anderen, müheloseren Existenzweise.
„Ein rührendes Zwitterwesen“
Tiere sind im Vergleich zu Menschen aus der Sicht Rilkes die weitaus glücklicheren Wesen, weil sie noch ganz in den Kreislauf der Natur eingebettet sind. Eine Ausnahmestellung nehmen für Rilke die Hunde ein.

In einem seiner Briefe formulierte Rilke:
„Weder Mensch noch Tier, ein klägliches und rührendes Zwitterwesen, wird der Hund von der Welt unsrer Beziehungen unendlich angezogen, ist aber unfähig, sich ohne unsre hilfreiche Mitwirkung den Weg zu bahnen. Er hat jene Unbekümmertheit, jene aufmerksame Tiefe des Instinkts verloren, die wir im Blick des freien Tieres entdecken. Wie sehr sind die Katzen geneigt, ihn zu verachten, sie, die niemals geruhten, ihre Katzenwelt wirklich zu verlassen.“
Gerade in ihrem manchmal geradezu rührenden Bestreben, Teil der Welt des Menschen zu werden, sind die Hunde also nach Rilke die vielleicht am stärksten gefährdeten Wesen der gesamten Tierwelt – gerade weil sie sich zu sehr in die Welt des Menschen hineinziehen lassen und sich der Welt der Natur entfremden. Die zitierte Textstelle aus dem Brief zeigt aber auch, welch sensitiver und feinsinniger Beobachter Rainer Maria Rilke war. 150 Jahre nach seiner Geburt ist seine Ausnahmestellung in der deutschen Literatur offenbarer denn je!
■ Kurt Koriath
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