Kurfürst Friedrich August II.

Kurfürst Friedrich August II.: Am Ende bleibt die Kunst

Eine sächsische Regentschaft vom Supermachtstraum bis zur Staatspleite

Zum zweiten Mal nach mehreren Jahrhunderten war Sachsen im Augusteischen Zeitalter nah daran, Weltmacht zu werden. Doch es kam anders. Regent von 1733 bis 1763 war Kurfürst Friedrich August II. (nicht zu verwechseln mit König Friedrich August II. gut 100 Jahre später).

Friedrich August II. kam am 17. Oktober 1696 in Dresden zur Welt und war das einzige gemeinsame Kind Friedrich Augusts I. („August der Starke“) und dessen Ehefrau Christiane Eberhardine. Geschwister hatte er also keine, Halbgeschwister dafür bekanntermaßen umso mehr. Er war dazu ausersehen, den vom Vater begonnen Aufstieg Sachsens zur Großmacht weiterzuführen. Immerhin hatte sein Vater mit Sachsen-Polen-Litauen bereits das territorial größte Reich Europas zusammengefügt. Und nun sollte geschickte Heiratspolitik den Plan fortsetzen.

Konspirative Konversion

Doch bevor man heiratet, ist man erst mal klein und muß erzogen werden. Dies übernahmen ganz überwiegend Mutter und Großmutter, unterstützt von Mitgliedern des sächsischen Adels – und allen Genannten war gemein, daß sie streng lutherisch waren. Das war Papa August der Starke ja auch mal gewesen, aber dann war da die Geschichte mit der polnischen Krone, und dafür mußte er bekanntlich katholisch werden. Das wollte er auch für den Sohn, denn der sollte ebenso König von Polen werden, und der nächste Schritt sollte eine weitere Krone sein (für die man katholisch sein mußte): Österreich mit Böhmen! Oder zumindest Teile davon.

Nun, die Frauen im bisherigen Leben des jungen Prinzen waren davon wenig beeindruckt. Sie lehnten den Konfessionswechsel entschieden ab. Da mußte Papa August nun eingreifen, und 1711 schickte er den gerade 15-Jährigen auf die obligatorische, aber doch etwas vorgezogene Kavalierstour an die europäischen Höfe. Und bereits 1712 trat Friedrich August zum Katholizismus über, was aber nach väterlichem Vorbild streng geheim gehalten wurde. Mama, Oma, Hof und Volk sollten sich ja nicht unnötig aufregen.

Seinen hohen moralischen Ansprüchen, die ihm von Mutter und Großmutter beigebracht wurden, tat dies allerdings keinen Schaden, immerhin können sowohl Katholiken als auch Lutheraner über derartige verfügen. Die unendlichen Frauengeschichten seines Vaters widerten ihn einigermaßen an, ebenso wie dessen endlose turbulente Feierlichkeiten. Und von ihm ist dann auch nur eine Frauengeschichte bekannt, eine lebenslange, und die war die vom Vater gewünschte: die Kaisertochter Maria Josepha von Österreich, die er 1719 heiratete. Die Prinzessin war wie der Prinz sehr fromm und dazu jagdbegeistert. Gleiche Grundwerte und ein gemeinsames Hobby – perfekte Voraussetzungen für eine glückliche Ehe, die beide dem Vernehmen nach fortan führten. Friedrich August II. ist also ein gutes Vorbild für alle, die aus desolaten Familienverhältnissen stammen und es selber besser machen wollen – es kann gelingen!

Und ein großer Schritt in Richtung Supermacht war auch getan, denn die Kaisertochter hatte keinen Bruder, und das heißt: Es waren keine Erbstreitigkeiten zu befürchten!

Erst einmal Polen…

Frisch verheiratet nahm das Paar in Dresden Residenz und Friedrich August wurde in großen Schritten an die Politik herangeführt. Er vertrat August den Starken während dessen häufiger Abwesenheit in Dresden und leitete das Geheime Kabinett – war also eine Art Ministerpräsident. Als Friedrich August I. alias August der Starke 1733 starb, wurde Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen und dann auch König von Polen. Letzteres war nun nicht so selbstverständlich wie Ersteres, denn in Polen wurde der König gewählt. Da es mit Polen unter August dem Starken aufwärtsgegangen war, hatte der nächste Sachse gute Karten. Dennoch mußten, wie üblich, die anderen Großmächte einbezogen und einflußreiche polnische Adlige – sagen wir mal – positiv gestimmt werden. Mit Rußland war man ja verbündet und mit Österreich verheiratet – da gab es keine Schwierigkeiten. Frankreich und Schweden hatten jedoch einen Gegenkandidaten. Als sich russische Truppen mal die schöne Gegend an der Weichsel anschauten, verließen dessen Anhänger Warschau, und Friedrich August II. von Sachsen wurde als August III. zum polnischen König gewählt und am 17. Januar 1734 in Krakau gekrönt – was prompt den polnischen Thronfolgekrieg auslöste. Erst 1738 im Frieden von Wien akzeptierten die Gegner Augusts Herrschaft in Polen. Und die russischen Truppen blieben auch nach Kriegsende in Ostpolen. Freunde zwar, aber eben solche, die nicht wieder nach Hause gingen… Und auf der anderen Seite stichelten auch die Feinde weiter und unterstützten die Gegner Augusts unter den polnischen Adligen. Die Folge war, daß wenig vorwärtsging, da die Gegner im Sejm alle Reformvorschläge Augusts blockierten. Es brauchte das ganze diplomatische Geschick von Superminister Brühl, um einigermaßen vorwärtszukommen. Beide sächsischen Augusts scheiterten aber letztlich an den ständig streitenden polnischen Adelsparteien damit, Polen zu einem funktionierenden Gemeinwesen zu formen. Es war dadurch unmöglich, das einst mächtige Polen-Litauen zukunftsfähig zu machen und als Großmacht zu erhalten. Der Untergang der polnischen Selbständigkeit wenige Jahrzehnte nach August war die Folge der kurzsichtigen Blockadepolitik der Parteien im Sejm. Dennoch ist die sächsische Ära in Polen als goldenes Zeitalter in Erinnerung. Das zeigt: Trotz der Schwierigkeiten haben die Sachsen doch einiges erreicht.

Die Freunde einer Wahlmonarchie mögen sich die ständigen Quengeleien um den polnischen Thron zum abschreckenden Beispiel gereichen lassen! Wer Durcheinander, Ränkespiel und ausländische Einmischung mag, soll lieber gleich Demokrat bleiben.

…und dann Österreich!

Österreich, genauer gesagt das Habsburgerreich, war mit Böhmen und Schlesien sächsischer Nachbar und lag mit letzterem zwischen Sachsen und Polen. Außerdem war Österreich ein wichtiger Markt für sächsische Produkte und behinderte den Handel ärgerlicherweise (ebenso wie Preußen) mit hohen Zöllen. Und es hatte keinen legitimen Thronfolger, zumindest nach dem seit Jahrhunderten in Kontinentaleuropa geltenden salischen Recht, welches nur männliche Erben erlaubte. Dies war ja einer der Gründe, warum August der Starke die Kaisertochter ohne Bruder für seinen Sohn vorgesehen hatte.

Die Österreicher hatten zwar bereits das eine oder andere Mal von der Regel profitiert, daß man per Erbfall etwas erhalten kann (z.B. Böhmen nach dem Aussterben der Jagellonen). Selber nach dem Aussterben der eigenen Linie vererbt oder aufgeteilt werden – das wollten sie jedoch nicht. Also änderte man die Regeln – ein sehr pragmatischer Umgang mit uralten Gesetzen. Und als „Pragmatische Sanktion“ ging diese Neuregelung, welche Kontinentaleuropa die erste weibliche Herrscherin bescherte, dann auch in die Geschichte ein. Sie besagt: Der Habsburger Besitz ist unteilbar, und wenn es keine Männer mehr gibt, erbt die älteste Tochter des letzten Herrschers. So eine Neuregelung wollte natürlich keiner rundherum akzeptieren, doch das Dumme war: Um Österreichs Unterstützung zur polnischen Thronbesteigung zu erhalten, mußte August der „Pragmatischen Sanktion“ zustimmen, erst mal wenigstens.

Doch dann war auch Friedrich August pragmatisch und überlegte es sich anders: Als der Erbfall eintrat und in Österreich, Böhmen usw. Maria Theresia statt Friedrich August auf den Thron kam, widerrief er seine Zustimmung. Das gleiche tat Kurfürst Karl Albrecht von Bayern, der ebenfalls mit einer Habsburger-Tochter verheiratet war. Es hätte so schön sein können: Sachsen bekommt Schlesien und Böhmen, Bayern erhält Österreich – aber Maria Theresia hatte etwas dagegen. Noch interessanter verhielt sich Friedrich II. von Brandenburg-Preußen, dessen Vater die „Pragmatische Sanktion“ und damit die Unteilbarkeit des Habsburgischen Besitzes ebenfalls anerkannt hatte. Er erfand irgendeinen alten Anspruch auf das zu Böhmen gehörende Schlesien – und rückte in den ersten Schlesischen Krieg gegen Österreich.

Der allererste Weltkrieg

Sachsen stieg an Preußens Seite ein, und das nicht alleine: Frankreich, Bayern, Köln, Schweden, Spanien und Neapel verbündeten sich auf der einen Seite. Sie alle wollten entweder ein Stück der Habsburger Lande abhaben oder waren allgemein an einer Schwächung Österreichs interessiert. Großbritannien, Sardinien, Rußland und die Niederlande wiederum unterstützten Österreich. Rußland wurde also vom Freund zum Feind, und schon war es nicht mehr so günstig, daß russische Truppen in Ostpolen standen…einer der Gründe, warum Polen neutral blieb und nicht an Sachsens Seite trat. Fast ganz Europa befand sich damit im Krieg, welcher im späteren Verlauf auch in Nordamerika, der Karibik, Indien und Afrika geführt wurde und damit eigentlich ein Weltkrieg war.

Der komplette Kriegsverlauf über mehrere Etappen und mehr als zwei Jahrzehnte auf vier Kontinenten würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen und wird sicher einmal Gegenstand einer eigenen Abhandlung. Nur in aller Kürze:

Sachsen schlug sich im Ersten Schlesischen Krieg erfolgreich und ging dennoch leer aus, da sich Österreich und Preußen zu Sachsens Nachteil einigten und Preußen von Österreich Schlesien erhielt.

Da nun das, was Sachsen anstrebte, den Preußen gehörte, nämlich die Verbindung nach Polen, wechselte man auf Österreichs Seite, woraufhin Friedrich der Kleine mit seinen Preußen in Sachsen einfiel (und von dort weiter nach Böhmen). Die Sachsen samt Verbündeten wurden geschlagen.

Noch schlimmer kam es im Dritten Schlesischen Krieg: Sachsen wurde gleich zu Beginn 1756 vom Feind im Norden besiegt und seine Soldaten in die preußische Armee gepreßt. Von dort desertierten sie zwar fast alle, doch unser Land blieb besetzt und wurde von Preußen nach Strich und Faden ausgeplündert. Gegen Ende ging es dann noch einmal hin und her, und Sachsen wurde mehrmals zum Kriegsschauplatz, doch eine Rolle als Kriegspartei spielte es nicht mehr.

Daß Sachsen im Gegensatz zu früheren Zeiten im Kampf so schlecht aussah, hatte v.a. den Grund, daß die Armee kaputtgespart worden war. Man konnte eben auch damals schon den Taler nur einmal ausgeben, und die erste Lehre daraus lautet: An der Verteidigung zu sparen, ist eine ganz schlechte Idee. Die zweite ist die: Wer keine brauchbare Armee hat, sollte sich nicht mit mächtigen Nachbarn anlegen.

Am Ende war Sachsen pleite. Die Preußen hatten den Großteil ihrer Kriegskosten aus unserer vormals wirtschaftlich und kulturell blühenden Heimat herausgeholt, und das nicht nur direkt, sondern auch noch „hintenrum“: Nachdem Friedrich II. von Preußen massenhaft gefälschte sächsische Münzen prägen ließ, war auch das Vertrauen ins sächsische Geld weg, eine Inflation wurde ausgelöst.

Personelle Konsequenzen

Wie üblich mußte einer der Verursacher zurücktreten, nicht ganz zwar, aber doch ein gehöriges Stück. Superminister Graf Brühl, der u.a. die Kürzungen im Armeehaushalt zu verantworten hatte, verlor gehörig an Macht und bekam eine Restaurationskommission um den jungen und talentierten Freiherrn Thomas von Fritsch vor die Nase gesetzt, welche die Aufgabe hatte, Sachsen zu sanieren. Noch zu Lebzeiten Friedrich Augusts II. trat 1763 der Landtag zusammen und billigte die weitreichenden Reformpläne. Umgesetzt wurden sie freilich nach und nach, und zwar ganz überwiegend erst, nachdem Kurfürst Friedrich August II. am 5. Oktober 1763 bei einem Opernbesuch in Dresden verstarb.

Viele Kinder – mit einer einzigen Frau!

Friedrich Augusts II. Vater August der Starke hatte bekanntlich zahlreiche Affären und aus diesen zahlreiche Nachkommen: Elf sind gesichert bekannt. Doch vernünftig geht es auch: Friedrich August II. brachte es auf 15 Kinder, und zwar allesamt mit seiner Ehefrau. Immerhin elf davon erreichten das Erwachsenenalter, darunter auch sein Nachfolger auf dem sächsischen Thron, Friedrich Christian, und mehrere Töchter, welche an wichtigen europäischen Höfen landeten: Prinzessin Maria Amalia heiratete den späteren König von Spanien, Maria Anna wurde Kurfürstin von Bayern, Maria Josepha Karolina ehelichte den französischen Thronfolger und Maria Kunigunde brachte es zur Fürstäbtissin von Thorn. Nicht zu vergessen Prinz Clemens Wenceslaus, der ebenfalls die geistliche Laufbahn beschritt, es auf diesem Wege zum Erzbischof von Trier brachte und damit einer der deutschen Kurfürsten war.

Bleibendere Hinterlassenschaften

Wenn es schon politisch desaströs lief, so lohnt sich doch ein Blick auf die kulturelle Seite: Die Dresdner Oper, in der, wie erwähnt, des Kurfürsten Leben endete, war mit 2000 Plätzen die größte und beste Bühne der Welt. Die Stars Europas spielten in Sachsen, aufwändigste Inszenierungen wurden aufgeführt. Auch in Polen baute Friedrich August II. / August III. eine Oper, doch die europäische Hochkultur kam dort weniger gut an. Der ausländische Einfluß mißfiel in Warschau, und eigene Opern hatten sie nicht.

Auch die bildende Kunst beeindruckte den Kurfürsten: berühmte Gemälde wie die Sixtinische Madonna kaufte er an und vergrößerte die ererbte Dresdner Kunstsammlung bedeutend. An baulichen Denkmälern seiner Zeit hinterließ er u.a. die katholische Hofkirche und das Schloß Hubertusburg in Wermsdorf.    

■ Martin Kohlmann

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