Seit 2016 vertreibt Jörg Naumann Wieseneier in Striegistal, das genau zwischen Chemnitz und Dresden gelegen ist. Seine drei mobilen Hühnerställe beherbergen ungefähr 1000 Hennen. Naumann ist Verfechter regionaler und transparenter Lebensmittelherstellung. AUFGEWACHT hat ihn zu den Bauernprotesten und zur Lage der Landwirte befragt.
„Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, weiß nich’, was haste? – Kühe melken“, sagte in ihrer unverwechselbaren Stilsicherheit die renommierte Völkerrechtlerin A. L. Baerbock Ende 2020 in Richtung R. Habeck. Herr Naumann, woher kommen Sie „vom Hause her?“
Na, wenn Sie so fragen, dann „eher aus dem Völkerrecht“, denn als Hühnerbauer und stolzer Besitzer einer eigenen Scholle trage ich zum Ziel der sicheren Versorgung mit Nahrungsmitteln bei, also zum sozialen Frieden im Land und folglich auch zwischen den Völkern. Ich bin in der Landwirtschaft groß geworden und plädiere schon immer dafür, dass ein Land seine Einwohner selbst versorgen können muss.
Sie tragen den Button „Schwerter zu Pflugscharen“ an der Brust. Was verbinden Sie damit?
Mit den Bauernprotesten hat diese Friedensverheißung des Propheten Micha noch einmal an Tiefe gewonnen. Das Schwert tötet, der Pflug nährt. Ich wurde in der Jugend von der Friedensbewegung in der DDR geprägt. Für den Krieg in der Ukraine sind hunderte Milliarden Euro da, aber die Bauern im eigenen Land werden gegängelt.
In den letzten 25 Jahren ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland um 53 Prozent von einer halben auf eine Viertel Million gesunken. Was ist die Agenda hinter der Gängelung und Missachtung des Ernährerstandes?
Wir sollen aus dem Ausland ernährt werden, unsere Landwirtschaft soll abgeschafft werden. Das drängt sich mir immer mehr auf. Wobei auch das Ausland nicht mehr liefern wird. Der WHO-Chef Tedros sagte: „Unsere Lebensmittelsysteme schaden der Gesundheit der Menschen und des Planeten.“ So spricht der Great Reset. Man legt also die Axt an die bestehenden Versorgungsstrukturen an, egal, was für Hungersnöte und Konflikte das verursachen wird. Einige Konzern-Giganten sollen die Konkursmasse dann unter sich aufteilen – nach der Zerstörung des Mittelstands, der Industrie und der Bauernschaft. Auf der EU-Ebene läuft das unter „Green Deal“.
Welche Verständnistiefe sehen Sie hierzu bei den protestierenden Bauern?
Wer 2019 bei der legendären Demo in Berlin dabei war, ist heute natürlich schon weiter. Es gibt viele Neue, deren Vertrauen in die Politik jetzt erst weggebrochen ist. Wobei ich den Kampf um näherliegende Angelegenheiten – Stichwort Agrardiesel – für genauso wichtig halte. Eine zu große Tiefe würde viele in Schwermut stürzen. Wir müssen einen langen Atem bewahren und den Mittelstand mit ins Boot holen. Die Proteste verliefen bislang friedlich und demokratisch und die Bauern genießen eine große Zustimmung in der Bevölkerung. Diesen Kredit muss man nicht unnötig verspielen.
Können Sie die Kernanliegen der Bauernproteste zusammenfassen?
Für die sächsischen Bauern scheinen mir vier Punkte wesentlich: 1) die Beteiligung an der Wertschöpfungskette, 2) die Kennzeichnung der Herkunft, 3) der Bürokratieabbau und 4) der Schutz vor dem globalistischen Markt.
Beginnen wir mit der Forderung nach Bürokratieabbau!
Das fordert sich leicht und bleibt oft eine Floskel, aber man muss den Irrsinn am eigenen Leib erlebt haben! Bei uns auf der Hühnerfarm ist es zum Beispiel das KAT-Siegel, das einzige Qualitätssiegel für deutsche Hühnereier. Allein die Papiere zu diesem Siegel füllen sieben Aktenordner. Dem Tierwohl wird damit nicht gedient. Die Bürokraten denken sich meist etwas aus, was null Praxisnähe hat. Die neue EU-Salmonellenverordnung ab 2024 fußt auf Erhebungen aus dem Jahr 2015! Neun Jahre haben sie daran herumgedoktert, was nun in deutsches Recht überführt werden muss. Und auch wenn die Deutschen den Bürokratieabbau wirklich angehen wollten, würde dafür erst ein neues Gesetz gemacht und eine Behörde gegründet werden.
Vielleicht geht es mit der Wertschöpfungskette leichter?
Der Ur-Erzeuger wird nicht am Preis beteiligt. Wo werden die Preise fürs Getreide gemacht? An den Getreidebörsen in Paris oder in Chicago. Da wird auch schon das Folgejahr gehandelt. Und je länger die Kette, desto weniger bleibt beim Erzeuger. Wird er in die Preisbildung einbezogen, erhöht sich für ihn die Planungssicherheit.
Was hat es mit der Kennzeichnung der Herkunft auf sich?
Das ist ein großer Hebel, den der patriotische Konsument einsetzen kann, indem er bewusst einheimische Produkte kauft. Dafür muss er erst einmal erkennen, woher sie und ihre Zutaten kommen. Das Ei ist ein fertiges Produkt. Der Stempelcode verweist schon einmal auf die vier Haltungsarten: 0 ist Bio, 1 Freiland, 2 Boden und 3 Käfig. In Deutschland ist Käfighaltung verboten. Man kann es den Leuten nicht übelnehmen, dass sie angesichts der Teuerung zuerst auf den Preis schauen. Den meisten ist es einerlei, woher etwas kommt. Man muss es ihnen erklären, was heimische Nahrung bedeutet. In diesen eskalierenden Zeiten ist Ernährungssicherheit das Allerwichtigste. Die Lieferketten aus dem Ausland können über Nacht gekappt werden. Dann werden brutale Verteilungskämpfe ausbrechen.
Derweil leiden die Bauern gerade unter den Importen aus Kriegsländern.
Es ist ein Skandal: Deutschland subventioniert die Lieferung von Lebensmitteln aus der Ukraine. Der Vertrag ist bis 2025 verlängert worden und umfasst neben Getreide auch Eier, Nüsse, Zucker und Honig. Die Dumpingpreise sind schlimm genug, auch über die Qualität kann man nur munkeln. Tschechien hat die Getreideimporte abgelehnt, da die gemessenen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln zu hoch waren. Bei uns wird das belastete Getreide mit heimischem verschnitten, also gemischt, um so die geforderten Grenzwerte einzuhalten. Welcher Händler nimmt da noch heimischen Weizen an? Es ist so leicht, einen ganzen Markt in die Knie zu zwingen. Genauso geht es mit den Eiern. Hauptsache, ein schöner Stempel ist drauf. Die Deutschen lieben Stempel. Ein Drittel aller Hühnereier in Deutschland wird industriell verwertet. Das sind die sogenannten Industrie-Eier. Klingt doch lecker? Als Vollei, Eiweißpulver oder Trockeneigelb sind sie in den Fertigprodukten zu finden. Bis heute brauchen die Hersteller die Herkunft der Eier nicht anzugeben. Zwei Drittel der EU-Ei-Importe kommen inzwischen aus der Ukraine und werden überwiegend in Käfighaltung produziert. Das nützt nur den drei bis vier Oligarchen, denen die riesigen ukrainischen Geflügelfarmen gehören, und verschiebt bei uns die Lieferketten.
Welche Größenordnungen muss man sich da vorstellen?
Das Portal ZdA.at schrieb im Februar 2024, dass die größte Geflügelfarm des MHP-Agrarholdings im Gebiet Winnyzja 2020 nach eigenen Angaben 23 Millionen Stück Geflügel hielt. Der MHP-Konzern hat in der Ukraine einen Marktanteil von über 60 Prozent und ist für etwa 90 Prozent aller Geflügelfleischexporte des Landes verantwortlich. Nach Februar 2022 hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) fast eine Milliarde US-Dollar in Geflügelfarmen und andere große ukrainische Lebensmittelverarbeitungsbetriebe investiert. Die Bauern in Polen, der Slowakei und Ungarn protestieren schon lange dagegen. Riesige Agrarflächen wurden bereits an US-Konzerne wie Monsanto, Dupont und Cargill verschachert, die nicht bekannt für gesundheitsbewusste Methoden sind.
Sind unsere Produkte in puncto Gifte so viel unschuldiger? Glyphosat wurde für weitere zehn Jahre erlaubt, während in den USA Milliardenklagen gegen Bayer laufen.
Trotz alledem haben wir immer noch durchaus hohe Überwachungsstandards. Und die Pflanzenschutzmittel kosten exorbitant viel Geld. Ein Bauer wird damit nicht unnötig herumsprühen. Meine familiäre Prägung hat mich zur Überzeugung gebracht, dass der Königsweg irgendwo zwischen der normalen und der ökologischen Landwirtschaft verläuft. Das bedeutet einen behutsamen Umgang mit künstlichen Mitteln. Die Dosis macht das Gift. Künstlicher Dünger ermöglicht immerhin, genug Nahrungsmittel bereitzustellen, so dass niemand hungern muss. Missernten in einem trockenen Jahr zum Beispiel, wenn die Pflanze wenig Nahrung über die Wurzeln erhält, werden durch Blattdünger vermieden.
Mit dem Ökosiegel wird seit jeher Schindluder betrieben. So ist das EU-Biosiegel eine reine Verbrauchertäuschung. Und letztlich sahnen vor allem die Großbetriebe und Institutionen die Förderungen ab. Während in der Freilandhaltung bis 10.000 Hühner erlaubt sind, dürfen in einem Biostall nur 3000 Legehennen sein. Der Trick: Man zählt einfach die Stalleinheiten als Stall und kommt so bei drei Einheiten legal auf 9000.
Was meinen Sie mit Schutz vor dem globalistischen Markt?
In erster Linie vor dem EU-Markt. Für die gemeinsame Teilnahme an einem Markt muss man allen Teilnehmern gleiche Chancen einräumen. Davon kann heute keine Rede sein. Die Dieselbesteuerung ist zum Beispiel bei uns anders als in Frankreich und im Ostblock. Bei uns werden die Vergünstigungen abgebaut. So funktioniert das nicht. Die Subventionen sind eigentlich Ausgleichszahlungen für höherwertige Leistungen und den Naturschutz, sollen also für die Erzeuger die Marktchancen wahren. Unter den ersten 18 subventionierten Adressen ist übrigens kein einziger landwirtschaftlicher Betrieb. Das Portal gabot.de schreibt zu den Agrarsubventionen für 2021, dass „wieder millionenschwere Beträge nicht an einzelne Bauern, sondern an die öffentliche Hand und große Agrarbetriebe in Ostdeutschland sowie diverse andere Firmen“ gingen. Schuld ist die sogenannte Flächenprämie, wodurch große Ackerbaubetriebe mit einem hohen Eigenlandanteil und einer geringen Wertschöpfungsintensität je Hektar von den entkoppelten Zahlungen bis heute besonders profitieren.
Abgesehen von den bürokratischen Drangsalierungen müsste doch die relative Entfernung des landwirtschaftlichen Betriebs von der Stadt gewisse Freiheiten erlauben, die dem gläsernen Städter schon genommen wurde?
Da muss ich Sie enttäuschen. Die Landwirte unterliegen einer permanenten Satellitenüberwachung der Landwirtschaftskammer. Alle fünf Tage werden die Ackerflächen fotografiert, überprüft und verglichen. Sobald Ungereimtheiten entdeckt werden, rücken Kontrolleure an. Oft sind das nicht einmal Fachleute, was neue Probleme schafft. Die Überwachung ist Teil des „Green Deal“. Unregelmäßigkeiten sind zum Beispiel Schattenwürfe von Hochspannungsmasten oder Waldrändern, so dass die Flächen verändert scheinen.
Wozu diese Überwachung?
Damit der Bauer die Vorschriften umsetzt, auch wenn sie gegen alle Gepflogenheiten gehen. Zum Beispiel das neue Verbot, auf Frostböden Wirtschaftsdünger auszubringen. Das war gängige Praxis. Man dunkelt die Fläche, die Sonne taut den Boden schneller auf. Mist wurde auch auf Schnee gebracht. Der Schnee taut und die Nährstoffe gelangen in den Boden. Der Nutzen ist weit größer als der Schaden. Ich kenne keine andere Branche, die derart ausgespitzelt und überwacht wird. Vergleichbar sind noch die LKW-Fahrer. Sie sind komplett gläsern.
Was meinen Sie, wird es einmal dazu kommen, dass die Bauern sozusagen aus Notwehr einen Generalstreik einlegen? Die Protestwelle im Winter war zwar beeindruckend, aber dann rief die Scholle.
Die Bauernkriege vor 500 Jahren sind ein heroisches, aber mahnendes Beispiel. Selbst wenn alle Bauern aufwachen würden, benötigten sie gleichzeitig das Erwachen des Rests der Bevölkerung. Unsere Hauptaufgabe bleibt die Aufklärung, so dass sich die lebensfeindliche Politik nicht mehr durchsetzen lässt.
In all den Jahren haben Sie sicher ein besonderes Verhältnis zu den Hühnern entwickelt?
Es ist durchaus eine persönliche Beziehung. Hühner sind soziale Wesen und erstaunen mich immer wieder, wie sehr sie doch dem Menschen ähneln. Es gibt bei ihnen auch ein Hacken und Gackern auf der einen Seite, auf der anderen Seite Fürsorge und Sensibilität füreinander.
Wie bewerten Sie den Unterschied von gras- und getreidegefütterten Hennen?
Bei genauer Betrachtung findet man heraus: Ein Huhn ist keine Kuh! Es gibt keine rein grasgefütterten Hennen, denn das Gras besitzt eine zu geringe Energiedichte. Das Huhn ist Allesfresser! Es sammelt sich seine Proteine über Samen, Körner, Würmer, Insekten und Schnecken zusammen. Es gibt also keine getreidefrei produzierten Eier. Das Futter sollte GMO-frei sein. Das betrifft auch Soja. GMO-frei ist es eine Bohne wie andere Bohnen. Ich finde, Soja gibt einen guten Geschmack. Es wird vor der Verfütterung geröstet, damit die Bitterstoffe rausgehen. Die Wiesenhaltung gibt dem Huhn in erster Linie eine höhere Lebensqualität.
■ Die Fragen stellte Jochen Stappenbeck
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