Geheimdienstchef Lawrenti Berija im Jahr 1936 mit Stalins Tochter Swetlana Stalin. Im Hintergrund Josef Stalin. Foto: Von Autor/-in unbekannt - https://www.loc.gov/exhibits/archives/beria.jpgreferenced at https://www.loc.gov/exhibits/archives/secr.html.Taken from en.wiki, Gemeinfrei.

Das Schachspiel des Kannibalen

Der wahre Hintergrund des 17. Juni 1953

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Wie ein Leuchtfeuer in der Nacht markiert der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 den Beginn von Dissidenz und Widerstand im gesamten sowjetischen Machtbereich. Hinter den Kulissen lief ein weltpolitisches Schachspiel, in dem es um höchste Einsätze ging. Die Hauptrolle dabei spielte ausgerechnet „Stalins Schlächter“, der auch als „der Kannibale“ bezeichnete NKWD-Geheimdienstchef Lawrenti Berija.

Am Vor- und Nachmittag dieses 1. März 1953 blieb alles verdächtig ruhig im Schlafzimmer von Josef Stalin. Immer wieder lauschten Diener und Leibwächter an der Tür, doch sie schnappten kein einziges Lebenszeichen des Diktators auf. In der Nacht zuvor hatte Stalin wie so oft im Kreis seiner Getreuen – es handelte sich um die Männer der höchsten Partei- und Staatsspitze – auf seiner Datscha im Moskauer Vorort Kunzewo bis in den frühen Morgen hinein gezecht. Doch an diesem Tag war die Stimme des sowjetischen Staatschefs nicht zu hören. Erst um 22 Uhr wagte es Pjotr Losgaschow, der stellvertretende Datscha-Sicherheitschef, die Tür zu öffnen. Ihm bot sich ein Bild des Schreckens. Der „woschd“, also „Führer“, wie sich der Sowjetdiktator nennen ließ, lag mit halb heruntergelassenen und nassen Hosen auf dem Boden. Der Schlag hatte ihn getroffen.

Blicke des Zorns

Der 74-Jährige war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen und zu sprechen. Seine Zechgenossen aus der Nacht zuvor wagten es dennoch kaum, an sein Bett zu treten. Der Georgier warf ihnen Blicke zu, die vor Zorn regelrecht glühten. Möglicherweise war er der Meinung, dass er Opfer eines Gift-Anschlags geworden war und auch sein Attentäter sich unter denjenigen befand, die ihm nun die letzte Aufwartung machten – eine Auffassung, die auch viele Historiker für nicht unplausibel halten. Am 5. März verstarb der Mann, der vielen Sowjetbürgern wie eine Reinkarnation von Iwan dem Schrecklichen, dem gefürchteten russischen Zaren, vorgekommen war. Da es keine Nachfolgeregelung gab, öffnete sich nun für etwa vier Monate ein einzigartiges historisches Zeitfenster. In diesem schien zwischenzeitlich fast alles möglich zu sein – von einer frühen Beendigung des gerade erst begonnenen Kalten Krieges bis hin zu einer deutschen Wiedervereinigung.

Josef Stalin im November 1943 auf der Konferenz von Teheran. Foto: Von Franklin D. Roosevelt Library Public Domain Photographs.

Die sich zuspitzenden Diadochenkämpfe innerhalb der Viererbande, die Stalin im Kreml beerbte, ließen plötzlich außenpolitische Freiräume zu, die zuvor schlicht undenkbar gewesen waren. Bei denen, die um die Macht kämpften, handelte es sich um den intelligenten und grausamen Geheimdienstchef Lawrenti Berija, der wie Stalin Georgier war, den eitlen ZK-Sekretär Georgi Malenkow, den früheren Regierungschef und Außenminister Wjatscheslaw Molotow sowie den bauernschlauen und leutseligen Ukrainer Nikita Chruschtschow.

„Aktion Ungeziefer“

Sie alle beobachteten natürlich aufmerksam, was in der DDR vor sich ging, dem vielleicht wichtigsten sowjetischen Satellitenstaat. Im Juli 1952 hatte hier Walter Ulbricht, Stalins Statthalter in der DDR, auf der II. Parteikonferenz der SED, die in der Werner-Seelenbinder-Halle in Ost-Berlin stattfand, den Aufbau des Sozialismus in der DDR propagiert. Schon zuvor hatten die DDR-Organe damit begonnen, die innerdeutsche Grenze abzuriegeln. Dafür wurden im Zuge der „Aktion Ungeziefer“ mehr als Zehntausend Deutsche, die auf dem Gebiet des Grenzstreifens lebten, innerhalb weniger Stunden zwangsumgesiedelt. Der spätere Todesstreifen nahm Konturen an. Schon bald nach dem Ende der SED-Parteikonferenz in Ost-Berlin wurde auch deutlich, was unter „Aufbau des Sozialismus“ zu verstehen war, nämlich ein verschärfter Klassenkampf von oben. Die Bauern wurden mit drakonischen Zwangsmaßnahmen in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) gedrängt. Die Zwangsabgaben für die Landwirte waren so hoch, dass viele ihre Betriebe aufgaben und nach Westdeutschland flohen. 1952 waren bereits 13 Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche herrenlos. Über zwei Millionen DDR-Bürgern, insbesondere Kleinunternehmern und Landwirten, wurden die Lebensmittelkarten entzogen.

(…)

Das große Rätsel mit Blick auf die weltpolitisch so bedeutsamen Wochen und Monate des Frühjahrs und Frühsommers 1953 ist die Figur des Geheimdienstchefs Lawrenti Berija. Dieser gilt eigentlich als Inbegriff des psychopathisch veranlagten Polit-Massenmörders. Der „intelligente Kannibale“, wie der Historiker Gerd Koenen ihn bezeichnete, soll bei den bestialischen Folterungen in den NKWD-Kellern mitunter auch selbst Hand angelegt haben. Gleichzeitig war er Stalins wohl fähigster Organisator. 1938 dämpfte er als Geheimdienstchef-Nachfolger des schon halb dem Wahnsinn verfallenen Nikolai Jeschow den Großen Terror ab, der sonst die gesamte Bolschewistische Partei verschlungen hätte. In der Folgezeit konzentrierte er sich auf den Auf- und Ausbau des riesigen Gulag-Zwangsarbeitersystems, das bald die ganze Sowjetunion überzog. 1941 rettete er die zusammenbrechende sowjetische Front, als seine NKWD-Sperrtruppen zurückflutende Rotarmisten mit brutalsten Methoden wieder zurück in ihre Stellungen trieben. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs machte Stalin seinen 1899 in Abchasien geborenen Landsmann zum Chef des sowjetischen Atomprogramms und damit zum Verantwortlichen für das wichtigste Projekt seiner späten Amtszeit. Erneut lieferte Berija. Am 29. August 1949 konnte der Kreml die erste erfolgreiche Zündung einer Atombombe melden, die auf dem Testgelände im kasachischen Semipalatinsk erfolgte.

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■ Arne Schimmer

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