US-amerikanischer B-17-Bomber beim Abwurf seiner tödlichen Fracht. Foto: Von assumed USAAF - National Archives via the United States Air Force Historical Research Agency, Maxwell AFB Alabama.

Plauen: Auslöschung kurz vor Kriegsende

Vor 80 Jahren: „Christbäume“ über dem Vogtland und eine militärisch völlig sinnlose Vernichtung.

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„Eine Nachtoperation gegen Plauen mit der Absicht, die Stadt aus der Landkarte zu löschen.“ So ist eine Aussage über den Luftangriff vom Abend des 10. April 1945 seitens der daran beteiligten 156th Squadron FAF LOG überliefert. Er stellte den Höhepunkt der insgesamt vierzehn Schläge gegen die Stadt der Vögte dar, die seit September 1944 von britischen und amerikanischen Luftstreitkräften geführt wurden.

Insgesamt wurden 4.925 Tonnen Bomben auf die Stadt abgeworfen. Mehr als 75 Prozent der Gebäude wurden zerstört, über 2.358 Todesopfer, davon 54 Prozent weiblich, wurden offiziell verzeichnet. Mit 159 Tonnen je Quadratkilometer traf Plauen im Vergleich der sächsischen Großstädte die höchste Bombenlast. Obwohl im Zuge eines Tagesangriffs am 26. März 1945 das Vomag-Panzerwerk als kriegswichtiges Ziel total zerstört worden war, ging der Bombenterror unvermindert weiter, der im Nachtangriff vom 10./11. April 1945 seinen furchtbaren Abschluss fand: In Südostengland starteten abends 304 schwere Langstreckenbomber und sechs Mosquitos der RAF, assistiert von acht radarbestückten Bombern. Bei sternenklarer Nacht konnten sie ihr Zielgebiet Plauen mit der Weißen Elster und dem bebauten Stadtbereich unter sich liegen sehen. Das Leitverfahren OBOE führte die Pfadfinder und den Masterbomber sicher ins Zielgebiet.

Zahlreiche Illuminationssätze an Fallschirmen und 756 grün leuchtende „Christbäume“ hatten das Einsatzgebiet zuvor präzise abgesteckt. Die Bomber warfen von 23 Uhr 02 bis 23 Uhr 24 Uhr 1.167,7 Tonnen Blockbuster („Wohnblockknacker“), Spreng- und Brandbomben in das Zielgebiet. Es kam das ganze verfügbare Arsenal an Bombentypen, Splitter-, Minen- und Phosphorbrandbomben sowie Container mit verschiedenen Brandmitteln und differenzierte Bombencocktails zum Einsatz. Den schweren Explosionen folgten gewaltige Flächenbrände, die Rauchentwicklung reichte bis in vier Kilometer Höhe. Noch aus 100 Meilen Entfernung konnten die Bomberbesatzungen auf dem Rückflug das Rot der Brände erkennen. Der Rauch hatte sich auch beim Einmarsch amerikanischer Truppen am 16. April noch nicht vollständig verzogen. Von den flächenhaften Verwüstungen und Großbränden waren nahezu alle Stadtviertel betroffen, das Gebiet um den Oberen Bahnhof wurde total zerstört.

Gegen das industrielle Herz Deutschlands

Der Vernichtungsangriff der RAF kostete über 890 gemeldeten Einwohnern von Plauen das Leben. Da auch Flüchtlinge und andere Personen betroffen waren, dürfte die Opferzahl deutlich höher liegen. Eine wissenschaftliche Untersuchung darüber steht bis heute aus. Neben 6.500 Wohngebäuden, die zerstört oder beschädigt waren, lagen zahlreiche Kirchen, öffentliche Gebäude und Kulturbauten in Trümmern. Genannt werden sollen hier nur das bis dahin über der Stadt thronende Schloss der Vögte und das Konventsgebäude des Deutschen Ordens. Die Einwohnerzahl von Plauen sank von 111.000 im Jahre 1942 auf 77.700 im Juli 1945. Die Bevölkerung hauste zusammengepfercht, zum Teil in Häusern ohne Dach, in feuchten Kellern und Scheunen. Der Wiederaufbau zog sich über Jahrzehnte hin.

In seinem 1990 erschienenen Buch „Bombenkrieg gegen Deutschland“ stellte Olaf Groehler fest: „Traten hinsichtlich der künftigen westlichen Besatzungsgebiete seit April 1945 einige Restriktionen für die Luftkriegsführung in Kraft, so verlagerte sich das Luftkriegsgeschehen im April 1945 immer stärker auf die Provinzen Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg. Dem entsprachen sowohl die Zielzuweisungen als auch die Praxis des Luftkrieges.“ Mitteldeutschland galt nunmehr als das industrielle Herz Deutschlands. DDR-Historiker haben deshalb später die Theorie aufgestellt, den Briten und Amerikanern sei es um eine bewusste Verwüstung der Sowjetischen Besatzungszone gegangen, um damit den späteren Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu erschweren. Wenn man sich die Zerstörungen ansieht, die zuvor in westdeutschen Städten angerichtet wurden, dann dürfte es sich dabei wohl eher um eine kommunistische Verschwörungstheorie handeln.

Als im April 2010 anlässlich des 65. Jahrestags des Einmarschs der US-Armee in das Vogtland ein dreitägiger „Liberty Convoy“ von der Stadt Plauen veranstaltet wurde, bei dem die Okkupation dieser Region in den historischen Original-Uniformen und -Gefährten der West-Alliierten nachgespielt wurde, gab es eine von den Medien stark wahrgenommene Gegenkampagne der NPD, die erklärte, dass „Massenmord, Vertreibung und Luftkrieg kein Partyspektakel“ sind.

Stefan Paasche

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