Chemnitz
Arbeitseinsatz der Polizei Chemnitz zur Enttrümmerung der zerstörten Stadt 1945. Foto: Von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de.

Chemnitz: Sinnlose Zerstörung einer Arbeiterstadt

Vor 80 Jahren verbrannte das sächsische Manchester fast vollständig.

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Auch die Zerstörung von Chemnitz erfolgte wie die Vernichtung vieler anderer Städte erst in letzter Kriegsstunde, fast genau zwei Monate vor dem Kriegsende, in der Nacht vom 5. zum 6. März 1945. 683 schwere Bombenflugzeuge flogen einen verheerenden Bombenangriff auf die Stadt, die zu zwei Dritteln zerstört wurde. Tausende Chemnitzer fanden innerhalb weniger Stunden den Tod, wurden von Bomben zerrissen, verbrannten bei lebendigem Leibe oder erstickten qualvoll in Kellern. Die Bauleistung einer ganzen Kette von Generationen verbrannte innerhalb weniger Stunden und die Stadt veränderte – wie so viele andere deutsche Städte in diesen Tagen auch – für immer ihr Gesicht.

„Attractive blitz target“

Uwe Fiedler, der Direktor des Chemnitzer Schlossbergmuseums, hat in seiner verdienstvollen Arbeit „Bomben auf Chemnitz“ nachgewiesen, dass die Zerstörung der Stadt eben nicht der Begleiteffekt von Angriffen war, die der Zerstörung von Betrieben der Rüstungsindustrie galten, sondern dass die Zerstörung der Chemnitzer Innenstadt ein seit 1942 angestrebtes Ziel britischer Luftkriegsplanungen darstellte. In den Archiven existiert ein 1942 erstelltes „Information Sheet“ zum „Target Chemnitz“, das die enorm dichte Bebauung der Innenstadt hervorhebt, wodurch Chemnitz nach Auffassung der Luftkriegsplaner zum „attractive blitz target“, also zum lohnenden Ziel eines Flächenbombardements und zur Entfesselung eines Feuersturms, wurde. Deshalb ist es auch gar nicht verwunderlich, wenn Luftbilder, die nach dem 5. März 1945 aufgenommen wurden, die volle Funktionstüchtigkeit von kriegswichtigen Zielen wie Brücken, Rüstungsbetrieben und Betrieben der Energieversorgung und gleichzeitig die totale Zerstörung der Innenstadt dokumentieren.

Innerhalb des Innenstadtringes blieb so gut wie kein Gebäude unbeschädigt. Am Beispiel von Chemnitz wird auch in besonderer Weise deutlich, dass der Luftkrieg gegen Deutschland schwerpunktmäßig als Krieg gegen den deutschen Arbeiter geführt wurde, denn das sogenannte „dehousing“, also das massenhafte Obdachlosmachen der Industriearbeiter in den industriellen Zentren des Deutschen Reiches, war das erklärte Ziel der alliierten Luftkriegsstrategie.

Denkmal für die Bombenopfer in Chemnitz. Quelle: Von Wikswat – Eigenes Werk, CC BY 3.0.

Die möglichst komplette Zerstörung der Arbeiterstadt Chemnitz hatte gerade aus dieser Sicht höchste Priorität, aber anhand dieses Beispiels ist eben auch das festzustellen, was auch für alle anderen bombardierten deutschen Städte gilt: Die Flächenbombardements führten nicht zu einem Aufstand gegen die Führung des Dritten Reiches, sondern nur dazu, dass gerade in der höchsten Not die Bindung der Deutschen zu den staatlichen Stellen eher stärker als schwächer wurde – dass die Deutschen in den ausgebombten Städten näher zusammenrückten und sich jenseits von Kategorien wie Klasse und Besitz zunehmend solidarisierten. Uwe Fiedler vom Schlossbergmuseum bezeichnet die Auslöschung von Chemnitz in seiner schon erwähnten Arbeit als „wohl das schwerste Trauma, welches die Stadt in ihrer Geschichte erfuhr“.

Brecht: „Man sieht nur ein Ende Deutschlands“

In den Jahren 1944 und 1945 wurde praktisch jede deutsche Stadt bis zur Unkenntlichkeit verbrannt wurde und die Angriffe von vorneherein auf einen geplanten und mit industriellen Mitteln in Gang gesetzten Massenmord an der Zivilbevölkerung ausgerichtet waren – als Selbstzweck und ohne jeden militärischen Nutzen. So etwas hat es davor – und zum Glück auch danach – in dieser Form nicht mehr gegeben. Mit dem Gedenken an jenes einzigartige Menschheitsverbrechen verbindet jeder geschichtsbewusste Patriot denn auch die Hoffnung, dass die Erinnerung an die Grausamkeit des Bombenkrieges zu einer Ächtung dieser Kriegsform führt.

Zwei Stimmen, die sicherlich nicht als „rechtsradikal“ gebrandmarkt werden können, seien abschließend genannt: Da ist zum einen Bertolt Brecht, der, nachdem er von Bombenangriffen auf Berlin erfahren hatte, notierte: „Das Herz bleibt einem stehen.“ Weil die Luftangriffe auf die Innenstadt „nicht mit militärischen Operationen verknüpft“ seien, so Brecht, „sieht man kein Ende des Kriegs, sondern nur ein Ende Deutschlands“. Bertolt Brecht hat sich zu seiner Zeit zumindest in der Frage des Bombenkrieges also unendlich menschlicher gezeigt als die gesamte antideutsche Politclique heutzutage. Und da ist zum anderen der frühere „Konkret“-Herausgeber Klaus-Rainer Röhl, der in seinem Buch „Verbotene Trauer“ schreibt:

„Sieben Jahrhunderte bewahrten die Überlebenden mündlich die Erinnerung an den Brand und die Zerstörung der Handelsmetropole Troja und die Vertreibung seiner Bewohner durch die Griechen, bis im 8. Jahrhundert v. Chr. Homer die Überlieferungen aufzeichnete. Und auch wir wollen den Krieg gegen die Hütten, die Bombenteppiche und Splitterbomben, die Feuerstürme von Hamburg und Dresden im Gedächtnis behalten und weitergeben, bis eines Tages ein Dichter auch dieses Epos aufschreibt.“

 Arne Schimmer

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